Sehr persönliche Tipps zum Bau oder Kauf eines Fernreisemobils

Traum

Am Anfang steht der Traum. Wir hatten ein eindrucksvolles Fernreisemobil auf der Strasse gesehen, und waren begeistert, entzückt; es entstand der Traum auch so eines zu besitzen. Jetzt geht es darum den Traum zu beobachten, bleibt er, vertieft er sich und wird er zu einem tatsächlichen Bedürfnis. Verschwindet er wieder, war er zu wenig stark, um sich tatsächlich in dieses Abenteuer zu stürzen. Bleibt er aber, wird es eine Stufe ernster, der nächste Schritt ist angesagt: den Markt kennenlernen.

Markt erkunden

Bevor man sich in dieses Projekt stürzt, sollte man wissen wer und was sich auf dem Markt so tummelt und welche monetären Anforderungen so ein Fahrzeug stellt.

Die einfachste Marktübersicht erhält man auf den entsprechenden Messen. Für off-road Fahrzeuge ist das sicher die alljährliche http://www.abenteuer-allrad.de in Bad Kissingen. Daneben würde ich unbedingt empfehlen auch grosse Campingmessen zu besuchen. Da gibt es fast keine Allrad-Mobile, aber dafür RVs, Recreational Vehicles, also Fernreisemobile auf der Basis von Bus-Chassis. Auch kleinere Fahrzeuge können allenfalls die Bedürfnisse abdecken. Auf einer solchen Messen erkennen wir, was überhaupt möglich ist und zu welchen Preisen.

Falls der Traum immer noch nicht an der Realität gescheitert ist, gilt es eine folgenschwere Entscheidung zu treffen. Welchen Typ Fahrzeug brauche ich? Ist ein Off-Road-Fahrzeug notwendig oder mindestens intensiv gewünscht, oder fahre ich so oder so 98% auf Teerstrassen und kann mich auch mit einem Strassenfahrzeug begnügen. Falls du zum Schluss kommst ein Strassenfahrzeug ist genügend, wird es sofort deutlich günstiger und die Bezugsquellen liegen deutlich näher bei deinem Wohnort. Erkundige dich weiter über die Campingbranche.

Ist der Entscheid für ein Off-Road-Fahrzeug gefallen, ist der nächste Schritt, die Abklärung des Fahrgestells.

Fahrgestell

In der Schweiz unterscheiden wir zwischen 3.5t-, 7.5t- und schweren Fahrzeugen über 7.5t. Fahrzeuge bis 3.5t können mit dem normalen PW-Ausweis gefahren werden. Sie sind oft auf Defender aufgebaut. Es gibt unendlich viel Zubehör und Ausbauvarianten.

130628 DSCN4187Für 7.5t gibt es tolle Fahrgestelle und fast alles ist möglich. Begrenzt wird man in dem, was man alles unbedingt mitnehmen will. Mit zunehmender Reiseerfahrung wird das allerdings immer weniger.

Ab 7.5t ist fast alles möglich. Hier kann noch zwischen 2-achsigen und 3-achsigen Fahrzeugen unterschieden werden. Die meisten LKW-Fahrgestelle mit Allrad kommen von MAN oder Mercedes. MAN ist etwas günstiger und verbreiterter, Mercedes hat ein besseres Servicenetz.

Grundsätzlich entscheidest du dich beim Fahrgestell über die Wendigkeit und den Komfort. Je kleiner je wendiger im Gelände und je grösser umso komfortabler. Das Budget ist nicht wirklich entscheidend, viel kann in Eigenregie erledigt werden und gute Fahrgestelle gibt es auch Occasion. Wesentlich ist, wieviel Komfort du zu Lasten von wieviel Wendigkeit möchtest.

Lagerung

Zentrallagerung des Hilfsrahmens

Bei der Lagerung gibt es zwei Welten, die der Gummilagerung und die der Rautenlagerung. Je kürzer das Fahrzeug ist, desto eher ist eine Gummilagerung machbar. Bei langen Fahrzeugen ist eine Rautenlagerung wichtig, denn das Chassis muss sich im Gelände bewegen/verwinden können, sonst reisst im Extremfall die Kabine, weil sie die Kräfte nicht aufnehmen kann.

Projektmanagement

Aus persönlicher Erfahrung glaube ich, dass nur sehr wenige Aufbauer eine Ahnung vom Projektmanagement haben und so auch nicht wirklich in der Lage sind eine komplexere Konstruktion zu leiten. Das Projektmanagement gehört in kundige Hände oder sollte selbst gemacht werden. Ich rate keine GU-Verträge abzuschliessen. Bei schlüsselfertigen Fahrzeugen besteht das Risiko, erst nach unserem Ableben ausgeliefert zu werden. Innovation ist auch nicht gerade eine Stärke der Branche, deshalb gleichen sich alle Fahrzeuge.

Es empfiehlt sich, die technischen Anlagen immer direkt mit einem entsprechenden Fachmann zu erstellen. Kein Aufbauer kann alles wissen und schon gar nicht bauen. Empfehlenswert ist auch Aufbauer auszusuchen, die selbst noch mit einem solchen Fahrzeug reisen.

Kabinengrösse

Die Länge der Kabine ist eine nächste Schlüsselentscheidung. So gross wie nötig und so klein wie möglich. Ungeeignet für echte Off-Road Expeditionsmobile sind alle Arten von Kabinenvergrösserungen, wie Hubdächer und Slide-outs. Diese Techniken sind zwar einleuchtend, weil dadurch weniger Luft transportiert werden muss, sie sind im Gelände aber meist überfordert. Für Anwender, die ihr Fahrzeug hauptsächlich in Europa bewegen und das zu Ferienzwecken ist das alles super. Für diejenigen, die das ganze Jahr in anderen Kontinenten darin leben, ist diese Technik nicht besonders empfehlenswert.

Energieträger

Neben Diesel verbrauchen die Fahrzeugaufbauten häufig Gas für das Kochfeld, den Kühlschrank und den Backofen. Das ist die effizienteste Art diese Geräte zu betreiben, aber Gas ist nicht weltweit gleich Gas und die Anschlüsse sind überall wieder anders. Der Gasbehälter ist auch schwer und braucht Platz. Der wichtigste Punkt für mich ist jedoch, dass du nicht nur nach Diesel, sondern zusätzlich noch nach Gas suchen musst.

Elektro

hinter dem mittleren Schrank 20151027_141241_resizedBei der Stromerzeugung ist die Solarzelle sicher das wichtigste Element. In Afrikanischen Staaten zum Beispiel reicht die alleine bei richtiger Dimensionierung völlig aus. In Island oder anderen nördlichen Ländern wird aber zusätzlich ein Generator benötigt, da nicht immer genügend Sonnenlicht vorhanden ist und man vielleicht auch nicht immer fahren will, um die Aufbaubatterie zu laden. Und Landstrom gibt es ausschliesslich da, wo Expeditionsmobile nur in Ausnahmefällen stehen.

Für die Steuerung der verbauten Verbraucher ist heute ein Bus-System ganz sicher „State of the Art“. Bei Internetempfang ist damit auch immer eine einfache Ferndiagnose vom Hersteller möglich.

Zweitfahrzeug

Ein zweites Fahrzeug für Besorgungen oder zum Personentransport an einen Treckanfang ist sinnvoll. Ein ATV ist natürlich sehr praktisch, aber auch sehr gross. Ein Motorrad ist zu zweit im Gelände nicht so einfach zu handhaben. Als Alternative würde ich immer zwei Velos mitnehmen.

Innendesign

Das ist eine sehr persönliche Sache. Die Geschmäcker sind zum Glück verschieden. Wenn das Innendesign durch die Aufbauer bestimmt wird, sieht es aus wie alle Kabinen seit 50 Jahren.

Testfahrten

Nach der Fertigstellung sollten unbedingt mindestens zwei längere Testfahrten zum Beispiel einmal nach Nordafrika in den Sand und die Wärme und einmal idealerweise nach Island ins Wasser und den Schnee, respektive die Kälte unternommen werden. Das hilft weitere Überraschungen auf der grossen Fernreise möglichst gering zu halten.

Viel Erfolg!