Nach dem Entscheid für ein Expeditionsmobil kommt die Frage nach dem Chassis. Das Chassis ist die Grundlage für das gesamte Reisefahrzeug und mit der Wahl werden wichtige Vorentscheidungen getroffen, die später nur mit grossem Aufwand geändert werden können. Reisende, die genau deine Vorstellung von Reisen schon länger leben, sind die beste Informationsquelle. Es lohnt sich mit ihnen deine Vorstellungen zu diskutieren.

Der folgende Artikel basiert auf unseren persönlichen Erfahrungen. Wir sind seit 2014 als Reisende mit unserem Expeditionsmobil Globi unterwegs. Wir erheben nicht den Anspruch, dass unsere persönlichen Empfehlungen das einzig Richtige sind, aber es stimmt für uns und unsere Art zu reisen. Wir empfehlen deshalb allen Interessierten sich zuallererst klar zu werden, wozu, wo und wie das Expeditionsmobil eingesetzt werden soll. Diese Frage für sich zu klären ist vielleicht das Schwierigste überhaupt. Vielleicht kommst du dabei zum ehrlichen Schluss, dass ein nicht off-road-fähiger Bus oder sogar ein kleineres Reisefahrzeug vernünftiger wären. Trotzdem möchtest du aber ein Fernreisemobil auf LKW-Basis, einfach weil dir das besser gefällt. Das ist legitim und soll auch so sein. Wenn du das aber weisst, kannst du dir beim Bau viele teure Bauten und Extras sparen und du hast eben trotzdem deinen Spass.

Occasion oder neu

Viele Reisende schwören auf ihre dienstalten Chassis. Das meistgehörte Argument ist, dass Occasionsfahrzeuge in nicht so hochentwickelten Weltgegenden leichter gewartet werden können als moderne Fahrzeuge. Als nicht ausgebildete LKW-Mechaniker müssen wir dem entgegenhalten, dass ein Diagnosegerät an einem modernen LKW schneller und präziser Auskunft über allfällige Probleme am Fahrgestell geben kann als ein Mechaniker, der noch nie so ein Fahrzeug gesehen hat. In all den Ländern, die wir bis jetzt bereist haben, gab es entsprechend ausgerüstete Werkstätten. Ein Diagnosegerät und ein Internetanschluss reichen auch aus, um sofort fachmännische Auskunft aus seiner europäischen Garage zu erhalten. Manchmal ist es auch etwas arrogant zu glauben lediglich in Europa würden die Menschen gut ausgebildet. Falls du jedoch selbst Hand an deinen LKW anlegen willst und kannst, ist das eine völlig andere Sache.

Oft wird ein gebrauchtes Fahrzeug aus Budgetüberlegungen angeschafft. Ein Occasion-LKW, der gut im Stand ist, ist jedoch nicht unbedingt besonders preiswert. Gut im Stand sind meist alte Feuerwehrfahrzeuge, da sie wenig gefahren werden, jedoch per Definition immer bestens gewartet werden. Von einem guten Freund wissen wir, dass der Betrag für seinen gebrauchten LKW plus anschliessende perfekte Wiederinstandstellung beinahe den Kosten eines Neuen entspricht. Die Anschaffung beläuft sich auf etwa CHF 30’000, dann schlägt das Aufbereiten mit gegen CHF 20’000 zu Buche. Dazu kommen dann alle die Kleinigkeiten, die erst bei der Instandstellung sichtbar werden. Loch im Fussboden, neue Bremstrommeln, weil die alten verrostetet sind und eine Aufbereitung nicht mehr lohnen, die Federn hängen durch und müssen ausgetauscht werden und so weiter. Ein neuer LKW ist bei etwas Verhandlungsgeschick unter CHF 100’000 zu erstehen.

Unterwegs ist ein Occasions-LKW anfälliger als ein Neuer, weil viele Teile einfach schon länger im Einsatz sind. Da wir als Overlander den LKW, rein von den gefahrenen Kilometern betrachtet, fast nicht brauchen, fallen bei einem neuen LKW über viele Jahre lediglich Oel- und Filterwechsel-Kosten an. Der Preis für unseren Jahresservice belief sich bis jetzt immer auf unter CHF 1’000.

Ein gebrauchtes Chassis ist wie es ist, es hat allenfalls Ausrüstungen, die du nicht brauchst und solche nicht, die du gerne hättest. Ein neuer LKW kann bis ins Detail konfiguriert und personalisiert werden.

Beim Komfort punktet ein neuer LKW klar. Die Bedienung und die verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten sowie der Fahrkomfort und die Belüftung sind in einem neuen Gefährt natürlich besser. Es gibt auch Kollegen, die genau das nicht wollen, sie fahren lieber hart durch das Gelände, weil sie so den Untergrund mit ihrem Allerwertesten besser erspüren können. Auch das hat selbstverständlich seine Berechtigung, du musst einfach wissen, was du möchtest.

Zu guter Letzt spielt auch die Sympathie eine grosse Rolle. Es gibt Liebhaber von alten Fronthubern oder ausrangierten Militärfahrzeugen und gewisse Marken und Modelle sind einem einfach nicht sympathisch, dann sollte man sich die auch nicht zulegen.

Motor

Im Gelände ist mehr Kraft von grossem Vorteil. MAN bietet für die LKWs der TGS-Serie einen 9l und einen 12l Motor an. Gemäss Spritmonitor.de ist der Verbrauch der beiden Motoren fast identisch. Der Preisunterschied bei MAN beträgt etwa CHF 3’000, die Gewichtsdifferenz etwa 320 kg. Ich nehme an bei der Konkurrenz wird das ähnlich sein. Wer sich vorgenommen hat ein möglichst leichtes Fahrzeug zu bauen, wird sich hier für den leichteren ein wenig leistungsschwächeren Motor entscheiden.

Die meisten modernen Diesel Motoren sind in Europa nur noch mit Adblue zu erhalten. Als Fernreisemobil ist Adblue ungeeignet, da es an den meisten Orten ausserhalb Europas nur sehr selten zu kaufen gibt. Dies wird sich sicher in absehbarer Zeit ändern, sofern der Schwerverkehr weiterhin auf Diesel setzt. Es gibt für alle Modelle Umbausätze, damit man den Adblue Betrieb umgehen kann. Diese Umbausätze sind in Europa selbstverständlich verboten und werden bestraft. Es gibt in Deutschland eine ganze Industrie, die sich auf diese Umbauten spezialisiert hat. Diese Umbauten sind so eingerichtet, dass man in Europa mit Adblue und ausserhalb ohne fahren kann. Dies ist auch nicht erlaubt, aber es ermöglicht uns immerhin halbwegs legal durch Europa zu fahren.

Modell

Das Expeditionsmobil sollte möglichst robust sein und eine möglichst hohe Bodenfreiheit aufweisen. Es empfiehlt sich also ein Baustellenfahrzeug zu wählen, das diese Eigenschaften schon grösstenteils mitbringt. Bei MAN kann noch eine hohe Bauweise ausgewählt werden, was weiter von Vorteil ist. Fährst du jedoch nicht durchs grobe Gelände, ist das nicht notwendig.

Fahrer-Kabine

Bei der Fahrerkabine sind wir sehr eindeutig, es kommt für uns lediglich ein LX-Fahrerhaus (neu bei MAN GX) in Frage. Ein Fahrerhaus, das so hoch ist, dass wir darin stehen können und genügend Platz hinter den Sitzen bietet, um noch etwas zu verstauen. In der Fahrerkabine verbringen wir relativ viel Zeit, also sollte dieser Raum angenehm sein. Viele Aufbauer bestellen für ihre Kunden immer die niedrigen Kabinen und bauen danach einen relativ teuren Dachträger auf das Kabinendach. Die meisten Reisenden mit solchen Fahrzeugen haben irgendwelche wasserdichten Boxen auf diesen Trägern mit Material, das sie nie brauchen, viele wissen nicht einmal mehr, was sich überhaupt darin befindet. Dazu kommt noch, dass gemäss Aufbaurichtlinie des Herstellers kein Gewicht auf dem Dach zugelassen ist. Meist wird dann sogar das schwere Ersatzrad (über 200 kg) plus entsprechender Kran und Dachträger oben montiert, was vor allem auf Wellblechpisten katastrophal sein kann. Wir plädieren deshalb dafür, diesen Platz innerhalb der Fahrerkabine zu kaufen, so kommst du leicht an deine Sachen und die Ablage macht auch Sinn. Die Höhe des Gesamtfahrzeugs wird dadurch nicht verändert, da die Wohnkabine so oder so meist höher ist als die Fahrerkabine. Die Aerodynamik wird durch die hohe Fahrerkabine auch verbessert. Durch den zusätzlichen Platz hinter den Fahrersitzen wird die Fahrzeuglänge vergrössert oder die Wohnkabinenlänge verkürzt. Da wir einen grossen Durchgang zwischen Fahrer- und Wohnkabine gebaut haben, spielt das für uns keine Rolle. Ein Teil unseres Platzangebotes ist einfach in der Fahrerkabine. Wir nutzen die Fahrerkabine beim Campieren auch als zusätzlichen Raum, zum Wäsche aufhängen oder Brotbacken etc. Der Preisunterschied zwischen der kleinsten und der grössten Kabine beträgt etwa CHF 1’000.

Achsanzahl

In unseren Breitengraden hat ein LKW mehr als zwei Achsen, damit er mehr Gewicht transportieren kann, da das maximale Achsgewicht gesetzlich festgelegt ist. Für uns Overlander ist das eigentlich nicht entscheidend, da wir meistens nicht mehr als das erlaubte Gewicht mitführen. Ein Zweiachser darf in der Schweiz maximal bis 18 Tonnen Betriebsgewicht aufweisen, ein Dreiachser mit drei angetriebenen Achsen maximal 26 Tonnen. Eine weitere Achse ist also aus Gewichtsgründen nicht notwendig. Im groben Gelände könnte man vielleicht für eine zweite gelenkte Vorderachse Gründe finden, allerdings überwiegen die Nachteile dabei deutlich. Zwischen den vielen Achsen hat es keinen Stauraum mehr. Irgendwo müssen wir unsere grossen Tanks verbauen und auch die Aussenstauboxen sind sehr nützlich.

Ein Dreiachser sieht für mich einfach besser aus als ein Zweiachser, aber das ist reine Optik und nicht wirklich ein hartes Argument. Sobald das Chassis jedoch eine gewisse Länge aufweist, ist eine dritte Achse vor allem im Gelände wichtig. Bei einem zu langen Radstand wird der Rampenwinkel sonst viel zu schlecht.

Oder bei einem zu grossen Überhang wird der hintere Böschungswinkel zu klein.

Schlussfolgerung/persönliche Empfehlung

Um ein persönliches Fernreisemobil zu bauen, ist es absolut notwendig zu klären mit wem du wohin fahren möchtest, wie lange du am Stück unterwegs sein willst, wie lange du autark sein möchtest und was du alles an Material und Luxus mitzunehmen gedenkst. Möchtest du reisen oder primär offroaden, bist du ein Schrauber oder ein Reisender. Wenn du das alles mit dir geklärt hast, dann kannst du dein Chassis erstehen. Bei einem Neukauf empfehlen wir dir dringend zu einem Spezialisten zu gehen, um das Fahrzeug richtig zu konfigurieren. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Aufbauer einfach immer wieder dasselbe Chassis bestellen, weil sich das gelohnt haben soll und in unserem Fall die LKW-Vertretung im Land nicht wusste, was für ein Expeditionsmobil wichtig ist. Unbedingt empfehlen wir jedoch die LX-Fahrerkabine und den stärksten Motor, der Rest hängt von den persönlichen Bedürfnissen ab.