26.12.22 bis 1.1.23

Der Grenzübertritt von Brasilien nach Paraguay benötigte all unseren Grips und unsere Geduld, so dass die anschliessende lange Fahrt über den Transchaco Highway bei der wir wirklich nicht gefordert wurden, das wieder vollständig ausglich.

Transchaco Highway

Wir sind unterwegs auf dem Transchaco Highway. Von Grenze zu Grenze führt uns diese Strasse fast 1’000km durch das Flachland Chaco von Paraguay. Kurven gibt es auf der Strecke wenige und wenn, dann lediglich Biegungen um ein paar Grad. Fast schon haben wir den Eindruck wir könnten am Anfang beim Grenzübertritt von Brasilien die gesamte Strecke geradeaus bis nach Bolivien sehen. Der Highway hat verschiedene Gesichter, einmal erfreut er uns mit einer neu aufgelegten Asphaltschicht, dann wiederum befahren wir über viele Kilometer eine Baustelle oder eine Vorstufe der fertigen Strasse, manchmal rollen wir auch noch auf der alten Ruta 9. Diese Ruta ist eng, so dass das Kreuzen zweier LKWs viel Konzentration braucht.

Wir verbringen mehrere Tage vom Morgen bis in den Abend auf dieser nicht sehr abwechslungsreichen Strasse. Der Kilometerzähler dreht unheimlich langsam. Der Lichteinfall ändert sich, am Morgen auf unsere Rückseite und am Abend in die Frontscheibe, jeden Tag genau gleich. Auf dem Transchaco ist der Weg nicht das Ziel. Das Ziel ist der Zoll auf der anderen Seite. Das gleichmässige Dröhnen unseres LKW-Diesels im Tempomat lullt uns ein. Wir versuchen nicht einzunicken. Es ist eintönig, immer auf beiden Seiten des Highways Buschlandschaft. Als Abwechslung kommen ab und an hunderte weisser Sommervögel über die Strasse geflogen. Die Temperatur von durchschnittlich etwa 35°C hält uns auch nicht wirklich wach. Die Klimaanlage ventiliert und kämpft gegen die Aussentemperatur, wir haben dafür kalte Füsse, einen heissen Kopf und trockene Schleimhäute. Durch die wenigen Bewegungen werden unsere Rücken immer steifer, das macht uns vermutlich nicht jünger. Wir werden teilweise etwas apathisch, vielleicht einfach gelangweilt. Unsere Gedanken lassen uns wegschweifen in andere Situationen und Aufgestautes kann mental abgebaut werden. Wir geniessen das kalte Wasser aus unserem Kühlschrank. Aus dem Bordlautsprecher erzählt uns Leonard Cohen seine Lebensweisheiten, er muss dabei das gleichmässige Abrollgeräusch der Reifen übertönen. Mehr als Leonard lehrt uns jedoch die laute Ruhe über uns selbst und wie wir mit solchen Situationen umgehen. Nach der Transchaco sind wir eindeutig weiser geworden.

Glücksmoment

In Filadelfia, einem Ort, der von deutschen Auswanderer gegründet und auch haute noch bewohnt wird, finden wir den Supermercado von Paraguay oder mindestens vom Chaco. Gabi lacht sich viele Produkte an, die auch in Deutschland gefertigt hätten werden können und auch wirkliche Importprodukte. Es ist schön gewohnte, heimische Produkte zu finden, auch wenn die lokalen natürlich mindestens so gut, aber eben anders sind. Der Schaden, den der Einkauf an unserem Reisebudget verursacht, macht das Glücksgefühl und das Strahlen von Gabi nach dem Verlassen des Ladens längst wett.

Begegnungen

Ich habe mir unter Mennoniten immer Menschen vorgestellt, die in den Gewohnheiten des Mittelalters hängen geblieben sind. In Filadelfia lernte ich eine ganz andere Art von Mennoniten kennen. Moderne, aufgeschlossene Menschen, die sich im christlichen Glauben leicht von Rom distanzieren. Hauptsächlich tragen sie keine Waffen und lassen sich erst als Erwachsene taufen. Hier im Chaco sind sie hauptsächlich aus Russland eingewandert und haben sich in dieser kargen Natur ein neues Leben aufgebaut. Offensichtlich wurden sie bei der Einwanderung durch den paraguayischen Staat sehr unterstützt. Unter den Mennoniten gibt es auch tatsächliche Gruppen, die die moderne Technik ablehnen und ganz vor sich zurückgezogen leben. Wir erhielten all diese Erklärungen von einer netten Museumsangestellten und haben tatsächlich auf unsere alten Tage wieder etwas dazugelernt.

Tücken der Mücken

Im Chaco feiern wir diese Jahr bei Schweizer Auswanderer auf ihrer Farm Silvester. Cecile und Renato betreiben hier das Dorfrestaurant und wir können am Silvestermenu teilnehmen. Vor ein paar Tagen hat es hier geregnet – ein Segen. Das hat jedoch auch die schlummernden Mückenlarven zum Leben erweckt und sie sind hungrig. Wir sind natürlich vorbereitet, denn das Essen findet natürlich auf der Veranda statt. Lange Hosen, langes T-shirt und mehrfaches besprayen mit viel Mückengift. Trotzdem wird Gabi dermassen stark attackiert, dass wir das Neujahr nicht mehr in der Gesellschaft der Gastgeber erleben können. Wir flüchten uns in den sicheren Globi und verschlafen den Jahreswechsel auch dieses Jahr.

Zum Schmunzeln

Der Grenzübertritt in Ponta Pora von Brasilien nach Paraguay ist nichts für ältere unflexible Reisende wie wir. Wir sind es gewohnt, dass die Zollabfertigung auf der Ausfallstrasse von einem Land in das andere stattfindet und zwar so, dass man sie nicht verpassen kann. In Ponta Pora ist das nicht so. Unsere Pässe müssen wir am Flughafen ausstempeln lassen, damit sind wir als Personen aus Brasilien ausgereist. Irgendwo in der Stadt, auf der brasilianischen Seite, die Stadt ist ja zweigeteilt und man wechselt ohne es zu merken dauernd von einem Staat in den anderen, befindet sich ein Gebäude mit der Zollabfertigung. Als wir das endlich gefunden haben ist es natürlich wegen der Mittagspause geschlossen. Eigentlich müssen wir ja nur unseren TIP, die temporäre Einfuhrbewilligung für unsere Fahrzeuge, ausstempeln, allerdings dauert das dann beinahe zwei Stunden. An einer anderen Stelle in der Stadt befindet sich dann die Zollabfertigung der Paraguayer. Hier erhält Gabi die Auskunft, dass es ein TIP für Paraguay nicht benötigen würde! Die Einreise nach Paraguay für uns als Personen gestaltete sich dann etwas schwieriger, wir fanden schlicht das Gebäude nirgends. Wir waren uns jedoch sicher, dass ein solches geben würde. Trotz GPS und Adresseingabe sind wir an dem Gebäude mehrmals vorbeigefahren. Strassenarbeiter verwiesen uns nach unserer Nachfrage auf eine Baustelle. Nie wären wir auf die Idee gekommen, dass in einer Baustelle Büros betrieben werden können, aber hier fanden wir tatsächlich nach unserer langen Irrfahrt die Immigrationsbehörde. Wir verstanden auch, dass die Angestllten nicht sehr freundlich und auch nicht sehr effizient waren, sie haben sich ihrer Bürosituation einfach angepasst. Der Grenzübertritt war schlussendlich ein Tagesjob.